Thüringer Orte der Repression, Opposition und Zivilcourage in der DDR
„Vor Ort zum DENKOrt – Thüringer Orte der Repression, Opposition und Zivilcourage in der DDR“

In einem Projektzeitraum von zunächst drei Jahren (2020-2022) soll an acht ausgewählten historischen Orten in Thüringen an repressives, widerständiges und zivilcouragiertes Handeln während der Zeit der DDR informiert und daran erinnert werden. Hierbei rücken insbesondere solche historischen Orte im ländlichen Raum und kleinstädtischem Bereich in den Fokus, die aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwunden bzw. in Vergessenheit geraten sind oder die gar nicht erst wahrgenommen wurden. Der Grundgedanke des Projektes ist das Zusammenbringen von Menschen und gesellschaftlichen Initiativen, um diese aktiv in die zu entwickelten DENKOrte einzubeziehen. Im Rahmen dieses Projektes sind individuell an jedem der Orte jeweils drei Schritte vorgesehen: Quellen zusammentragen und sichern| Markierung des Ortes | Außerschulische Bildung

Eine tragende Rolle im Projekt kommt der Forschung zu. Interviews mit Zeitzeug:innen, umfangreiche Archivrecherchen und die damit verbundene Auswertung von Primärquellen sollen auch Themen in den Fokus rücken, die in der Forschung bisher unterrepräsentiert sind.

Die ausgewählten Orte möchten wir markieren und mit einer sichtbaren DENKOrte-Markierung versehen, um deren Bedeutung ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Die äußere Form und Anmutung der Markierung sowie die textlichen und bildlichen Inhalte besprechen und erarbeiten wir gemeinsam mit lokalen Entscheidungsträgern, Zeitzeug:innen oder im Rahmen eines Schulprojektes.

Neben der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für diese Orte, sollen die neuen DENKOrte langfristig und nachhaltig kulturelle Begegnungsorte und/ oder außerschulische Lernorte werden, da diese in besonderer Art und Weise geeignet sind, fächerbezogene Inhalte aus dem Geschichts-, Sozialkunde- oder dem Ethik- bzw. Religionsunterricht für Schüler erfahrbar zu machen.

Vor Ort zum DENKOrt – Thüringer Orte der Repression, Opposition und Zivilcourage in der DDR“ ist ein Bildungs- und Forschungsprojekt, welches das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“ (ThürAZ) in Kooperation mit der Thüringer Staatskanzlei durchführt.

Wenn Sie etwas zu berichten oder zu zeigen haben, wenn Sie über besonderes Wissen über einen der Orte verfügen, sind Sie eingeladen, historische Dokumente wie Fotos, Texte, Videos, Tonaufnahmen, historische Karten zur Verfügung zu stellen.

Melden Sie sich bei uns. Wir möchten Sie ermuntern, ihren Erinnerungsschatz weiterzugeben und mit uns zu teilen (denkorte@thueraz.de).
Vorstellung des DENKOrte-Projekts in der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar, 11. Mai 2019. Auf dem Podium diskutieren (v. l. n. r.): Matthias Vernaldi (Initiator und Mitbegründer der Wohngemeinschaft Hartroda), Angelika Jordan-Schön (Theologin und regelmäßige Besucherin des Rüstzeitheims in Braunsdorf), Dr. Peter Wurschi (Thüringer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur), Manfred May (Ansprechpartner für Betroffene der DDR-Heimerziehung) und Manuel Leppert (Thüringer Archiv für Zeitgeschichte). Foto: Heike Sommer
DENKOrt VESTE HELDBURG, BAD COLBERG-HELDBURG

DDR-Kinder-/ und Sonderschulheim von 1954-1982

Die Veste Heldburg im südthüringischen Bad Colberg-Heldburg steht in dem Projekt exemplarisch für den Bereich der DDR-Heimerziehung. Als die „schönste Zeit meiner Kindheit“ beschreiben die einen ihre Zeit auf der Burg. Andere ehemalige Heimkinder sprechen von der „Hölle“ auf der Veste. Für sie ist der Aufenthalt mit der Erfahrung seelischer und körperlicher, auch sexualisierter, Gewalt verbunden.

Der historische Ort

Nach Gründung der DDR wurde die Heldburg zunächst Sitz des örtlichen Amtsgerichts, ehe das Schloss 1951 durch sowjetische Truppen ausgeräumt und als Kommandantur genutzt wurde. 1954 wurde schließlich mit der Einrichtung eines Kinderheims begonnen, das am 15. Mai 1955 offiziell seinen Betrieb aufnahm. Ursprünglich als Normalkinderheim mit angeschlossener Grundschule eingerichtet, wurde das Heim zu einem noch zu datierenden Zeitpunkt als Sonderschulheim weitergeführt, in dem Hilfsschüler untergebracht und unterrichtet wurden. Insbesondere aber die Zeit als Heim im „Kombinat der Sonderschulen“ kann als exemplarisch für den Umgang mit Kindern aus prekären Milieus gelten, wie Berichte von Zeitzeugen vermuten lassen. Als typische Charakteristika für diese Zeit kann die Herauslösung ganzer Geschwisterreihen aus „asozialen Familien“, die Zerstörung bis dahin existierender sozialer Kontakte, die Vorenthaltung von Bildung und die damit verbundenen nachhaltig zerstörerischen Wirkungen auf den gesamten weiteren Lebensweg festgehalten werden. In einzelnen Stasi-Akten ist von Repressalien und Misshandlungen gegenüber Schutzbefohlenen die Rede. Auch in Akten der Jugendhilfe finden sich gerade für die 1950er und 1960er Jahre Hinweise auf ein besonders raues Heimklima und auf die Vernachlässigung und Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen. Die Dokumente werden durch Berichte von Betroffenen gestützt, in denen von erniedrigenden Arbeiten, Schikanen, gewalttätigen Übergriffen von Seiten des Erziehungspersonals und sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener die Rede ist. Am 7. April 1982 brach ein Feuer auf der Burg aus und zerstörte den Französischen Bau, in dem das Kinderheim untergebracht war. Die Heimkinder und das Erziehungspersonal konnten gerettet werden und wurden auf andere Heime aufgeteilt. Das Kinderheim musste geschlossen werden. Erst 1990 begann allmählich der Wiederaufbau von Teilen der Burg. Seit der Übernahme der Veste Heldburg in den Besitz der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten konnte ein umfangreicher Restaurierungsprozess eingeleitet werden. Mit der Einrichtung des Deutschen Burgenmuseums steht die Heldburg seit dem 9. September 2016 allen Besuchern offen.

Meilensteine

Die Aufnahme der Veste Heldburg in das DENKOrte-Projekt und die damit verbundene historische Aufarbeitung, bewegte viele Menschen in Heldburg und Umgebung. Nicht wenige von ihnen erlebten die aufzuarbeitende Zeit noch selber als Erzieher:in oder Heimkind. Manchen fällt es schwer, über die Zeit im Heim zu reden - Heimkind gewesen zu sein war ein Stigma. Wieder andere verwiesen in Vorgesprächen darauf, dass "endlich etwas geschehen müsse" und äußerten beinahe schmerzlich ihre Betroffenheit darüber, am historischen Ort weder eine Infotafel vorzufinden noch einen Ansprechpartner anzutreffen, der über das Kinderheim etwas erzählen hätte können oder wenigstens über dessen Existenz informiert war. Daher war allen am Projekt Mitwirkenden wichtig, Betroffenen (einen) Raum zu geben, um über das Unrecht, die Demütigungen und die Gewalt reden zu können, die sie erleben mussten und für die sie häufig noch selbst verantwortlich gemacht wurden. Entscheidend sei es dabei, „mit ihnen“ und nicht „nur über sie zu sprechen“, so Manfred May, der die Seite der ehemaligen Heimkinder im Projekt vertritt und ihnen eine starke Stimme verleiht.

„Veste Heldburg soll "Denkort" werden“: Beitrag des Mitteldeutschen Rundfunks zum geplanten DENKOrt Veste Heldburg

https://www.facebook.com/watch/?v=2411566945806570

Digitaler Fachtag November 2020

Die als mehrtägige Tagung geplante Eröffnungsveranstaltung des DENKOrtes Veste Heldburg fand digital statt. Ausrichter war das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Mattias Domaschk“ in Kooperation mit dem Deutschen Burgenmuseum und der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Es entstand ein umfangreiches Programm, mit Impulsreferaten aus den Bereichen Wissenschaft, Ethik, Medizin, Journalismus und Politik. 2021 erscheint ein Tagungsband mit Beiträgen des Fachtages.

Alle Beiträge sind über die Homepage des Deutschen Burgenmuseums (www.deutschesburgenmuseum.de) oder den YouTube-Kanal des Museums abrufbar.

Digitale Lesung aus der „edition H“ im ThürAZ am 3.7., Manfred May (links) und Christian Herrmann (wiss. Assistenz DENKOrte), Foto: Stefanie Falkenberg

[Link zur digitalen Lesung] https://www.thueraz.de/2020/09/13/buergerfest-gv-2020/
Veste Heldburg, Foto: Marcus Glahn
Am 7. April 1982 beschädigte ein Großbrand den Französischen Bau stark. Das Kinderheim wurde daraufhin geschlossen.
Quelle: Landesarchiv Thüringen - Staatsarchiv Meiningen, BdVP Suhl, Sachstandbericht zum Brand im Hilfsschulheim Feste Heldburg (französischer Bau) am 07.04.1982, 08.04.1982.
Eine der seltenen fotografischen Erinnerungen an die Heldburg aus den Räumen des Kinderheims, undatiert. Foto: Förderverein Veste Heldburg
Kinder auf Sportplatz des Kinderheimes Veste Heldburg, undatiert. Foto: Manfred May
Vorbereitungstreffen mit den Kooperationspartnern des DENKOrtes Veste Heldburg, am 21.2.2020 (v.l.n.r.): Stefanie Falkenberg (ThürAZ), Dr. Adina Rösch (Direktorin Deutsches Burgenmuseum, Anna Hertwig (Initiative Rodachtal e.V.), Jana Schmidt-Danisch (Schlossverwaltung), Isabell Richter (Direktorin VHS Hildburghausen), Dr. Franz Nagel (Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten), Dr. Anke Geier (ThLA), Manfred May (Berater in Heimerziehungsfragen), Manuel Leppert (ThürAZ), Foto: Stefanie Falkenberg
Rundgang mit ehemaligen Heimkindern über die Anlage, 08.08.2020, Foto: Stefanie Falkenberg
Blick in die Räume der ehemaligen Mädchenschlafsäle im Französischen Bau der Veste Heldburg, Foto: Stefanie Falkenberg
DENKOrt HAUS BRAUNSDORF, SAALFELD/SAALE OT BRAUNSDORF

Evangelisches Rüstzeitheim

Mit seinem Rüstzeitheim stellte Walter Schilling, der Pfarrer von Braunsdorf, in den 1970er/1980er Jahren unangepassten Jugendlichen einen Zufluchtsort und Schutzraum zur Verfügung, der ihnen Möglichkeiten zur freien Selbstentfaltung bot.

Der historische Ort

In seiner Funktion als Kreisjugend- und Gemeindepfarrer der Thüringer Kirche begann Walter Schilling (1930-2013) hier 1959 mit dem Ausbau eines alten Stallgebäudes zu einem kirchlichen Jugend- und Freizeitheim, das unter seiner Leitung, ab 1968 als Rüstzeitheim für Jugendliche genutzt wurde. Trafen sich anfänglich Jugendliche aus dem Raum Saalfeld/Rudolstadt, entwickelte sich der Ort unter der Regie von Schilling in den 1970er Jahren zu einem Pilgerort vor allem für unangepasste und vom System kriminalisierte Jugendliche aus der ganzen DDR, wie etwa Blueser, Hippies, Tramper und Punks.

Mit dem Mauerbau von 1961 samt Grenzschließung, der auch der „geistigen ‚Grenzgängerei‘ Einhalt gebieten“ und den „Erziehungsraum begrenzen“ sollte, spätestens aber mit dem Jugendgesetz von 1964 und dem Bildungs- und Familiengesetz von 1965 hatte sich die Situation für andersdenkende Jugendliche in der DDR drastisch verschärft und der Konformitätsdruck, sich zu einer sozialistischen Persönlichkeit zu bekennen und zu entwickeln, stieg. Jugendliche, die nicht dem sozialistischen Lebens- und Verhaltensideal entsprachen, wurden vom SED-Regime zum „inneren Feind“ stilisiert und oft bewusst von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen.

Nicht selten verbanden daher viele Jugendliche mit der Kirche die Hoffnung, Freiräume jenseits staatlicher Strukturen nutzen zu können. Hier bot der von Schilling praktizierte Ansatz der „Offenen Arbeit“ (OA) eine Möglichkeit. Höhepunkte dieser Selbstverwirklichung waren thematische Werkstattwochenenden (June 78, June 79 und Jugend 86) im benachbarten Rudolstadt, zu denen 1.000 bis 2.000 Teilnehmer aus der ganzen DDR anreisten und die als Vorläufer der ab 1979 in Berlin von Rainer Eppelmann organisierten Bluesmessen gelten können. Gerade diese Großereignisse von überregionaler Bedeutung riefen die Staatsmacht auf den Plan.

Das MfS sah in der OA eine Politisierung von „Asozialen“ und stufte diese in ihren Berichten als „Politische Untergrundtätigkeit (PUT)“ ein. Die Unterwanderung der OA mit zahlreichen Spitzeln war die Folge. Gegen Schilling wurden vom MfS die Operativen Vorgänge (OV) „Reaktionär“, „Plakat“ und „Spinne“ angelegt und entsprechende „Zersetzungsmaßnahmen“ eingeleitet. 1974 erfolgte auf Druck des Landeskirchenrats die Absetzung Walter Schillings als Leiter und 1980 die endgültige Schließung des Rüstzeitheims durch das MfS aus „hygienischen Gründen“.

Erst 1990 wurde Schilling wieder als Leiter eingesetzt. Seit Ende 2012 befindet sich das Rüstzeitheim in der Trägerschaft des Christlichen Vereins Junger Menschen Thüringen (CVJM).

Meilensteine

Ganz im Sinne des partizipatorischen Ansatzes des DENKOrte-Projekts, mit dem Projekttragenden als Impulsgeber und dem Einbeziehen lokaler Akteure vor Ort, entwickelt sich in Braunsdorf ein überaus lebhafter (DENK)Ort des Miteinanders.

Offene Woche und im Rüstzeitheim Braunsdorf, 1. – 8.9.2020

In Anlehnung an die Offenen Werkstattwochenenden in den 1970er/ 1980er Jahren in Braunsdorf und Rudolstadt, fand vom 1.-8.9.2020 eine Offene Woche im Rüstzeitheim in Braunsdorf statt, gemeinsam mit vielen Zeitzeugen und Wegbegleitern Walter Schillings. Es gab Wanderungen, Konzerte und Diskussionsrunden zu tagespolitischen Themen.

Auch 2021 soll wieder eine „Offene Zeit am DENKOrt Braunsdorf“ stattfinden. Geplant ist eine Werkstattwoche vom 24.8.-31.8.2021.

Airtramp-Konzert im Haus Braunsdorf

Am 4.9.2020 gab „Airtramp“, im Rahmen der Offenen Zeit, in Braunsdorf ein Konzert mit „Liedern aus dem Untergrund“. Oliver Jahn, Sänger der Band und Zeitzeuge, ließ seine Erinnerungen und Eindrücke einfließen. Er berichtete über die Bedeutung der Offenen Arbeit und seine Zeit mit Walter Schilling.

Konzertabend mit Airtramp am 4.9.2020 vor dem Rüstzeiteim in Braunsdorf, Foto: Peter Wensierski
Saalfelder Jugendliche bei Pfarrer Walter Schilling (mit weißem Pullover) am Pfingstwochenende 1976 im Evangelischen Rüstzeitheim Braunsdorf. Quelle: Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias“ Domaschk“, Sammlung/Foto: Peter Seifert, ThürAZ-F-SP-002.36.
CVJM Haus Braunsdorf, Foto: CVJM.
Ankündigungsflyer für die Offene Zeit 2020 in Braunsdorf, Quelle: Angelik Jordan-Schön
AUSBLICK

DENKOrte digital

Seit Beginn dieses Jahres haben wir mit dem Folgeprojekt „DENKOrte_digital" begonnen. Über die Website www.denkorte.de stellen wir vertiefende Informationen zu den einzelnen DENKOrten bereit. Sie haben damit etwa die Möglichkeit, Karten, Grundrisse oder Filmdokumente anzusehen, Zeitzeugeninterviews anzuhören oder aufbereitete historische Dokumente einzusehen.

Für das Projekt, das von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert wird, suchen wir weitere Zeitzeug*innen, die Erinnerungen oder Zeitzeugnisse wie Briefe, Fotos, Kalender o. ä. beitragen können (archiv@thueraz.de I denkorte@thueraz.de).

DENKOrte 2021

2021 sind folgende drei Orte ausgewählt und werden derzeit zu DENKOrten erarbeitet:

CHRISTLICHE FRIEDENSGRUPPE „GEWALTLOS LEBEN" in Langenschade OT Unterwellenhorn

1984 erarbeiteten Jugendliche in Langenschade bei Saalfeld, unter Mitarbeit des dortigen Jugendpfarrers Joachim „Jo" Winter, das Konzept „Gewaltlos leben". Anschließend unterzeichneten ca. 200 Menschen das 10 Punkte-Papier, dass in Anlehnung an das pazifistische Denken des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King erdacht und konzipiert wurde. Kernpunkt von „Gewaltlos leben" war die Verpflichtung zu einem gewaltlosen Leben.

Gemeinsam entwickelten sie und schrieben Texte für das antimilitaristische Kabarett Amika, um an­schließend Aufführungen im gesamten Süden der DDR zu geben.

Darüber hinaus engagierte sich die Gruppe für Nikaragua und für einen zivilen Wehrersatzdienst. Für letzt­genanntes erarbeitete die Arbeitsgruppe „Gewaltlos leben" ein zehn Aspekte umfassendes Positionspapier, welches in der gesamten DDR kursierte.

Die SED reagierte darauf wie üblich nicht mit Dialogangeboten, sondern mit Repression und Zurück­drängung. Jo Winter wurde von 1982-1989 vom MfS überwacht und war Ziel von sog. ,,Zersetzungsmaß­nahmen" zur Destabilisierung des beruflichen Wirkens.

„EVANGELISCHES EINKEHRHAUS BISCHOFROD" Bischofrod

Ein weiterer wichtiger Ort, der für die Herbstereignisse 1989 entscheidend war, war das Einkehrhaus Bischofrod, eine kirchliche Bildungsstätte, etwa 15 Kilometer von Suhl entfernt.

Es entstand 1981. Das Pastorenehepaar Annemarie und Bernd Winkelmann und das befreundete Ehepaar Karla und Hilmar Fahr lebten im alten Pfarrhaus und praktizierten eine alternative Lebensweise.

Das Einkehrhaus entwickelte sich zum Zentrum der Südthüringer Umweltarbeit und der oppositionellen Arbeit. 1984 fand beispielsweise ein Umwelttag im Einkehrhaus Bischofrod statt. Dieser Umwelttag war einer der ersten Höhepunkte in der kritischen Umweltarbeit. Motto dieses Umwelttages am 3. Juni 1984 war „Mobil ohne Auto". Etwa 130-150 Leute aus der Region kamen zusammen.

Das Einkehrhaus Bischofrod lud zum Umwelttag auch Vertreter des Staates ein. Die Suhler SED, Polizei und Staatssicherheit versuchte mit erheblichem Aufwand die Teilnahme der Suhler und Zella-Mehliser Bürger zu verhindern.

„DDR-DURCHGANGSHEIM SCHMIEDEFELD" in Schmiedefeld bei Neuhaus am Rennweg

Das Durchgangsheim Schmiedefeld unterstand dem Rat des Bezirkes Suhl, Abteilung Volksbildung und bestand zwischen dem 1. Januar 1974 und dem 31. Dezember 1987. Unterlagen im Staatsarchiv Meinigen, Archivdepot Suhl, belegen die Einweisung von 773 Mädchen und 709 Jungen.

Das Heim und der Alltag darin glichen einem Gefängnis. Die Kinder und Jugendlichen erlebten zum Teil monatelange Abgeschlossenheit und Ungewissheit über die eigene Zukunft. Ehemalige Heimkinder berichten von dort erfahrender psychischer und physischer Gewalt. Viele leiden bis heute unter körperlichen und seelischen Spätfolgen.

Wenn Sie etwas zu berichten oder zu zeigen haben, wenn Sie über besonderes Wissen über einen der Orte verfügen, sind Sie eingeladen, historische Dokumente wie Fotos, Texte, Videos, Tonaufnahmen, historische Karten zur Verfügung zu stellen.

Melden Sie sich bei uns. Wir möchten Sie ermuntern, ihren Erinnerungsschatz weiterzugeben und mit uns zu teilen (denkorte@thueraz.de).
Dieses Projekt wird gefördert und unterstützt von:

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